Melania G. Mazzucco, 1966 geboren, studierte an der Filmhochschule in Rom und schreibt Romane, Theaterstücke und Drehbücher. Sie lebt und arbeitet in Rom und wurde für ihr Buch „Die Villa der Architektin“ u.a. mit dem Premio Stresa und den Premio Manzoni Preis ausgezeichnet.
Ihr gelingt es von der ersten Seite an, die Leser:innen nach Rom in die Zeit des 17. Jh. zu versetzen und tief eintauchen zu lassen. Detailgenau recherchiert vermittelt sie die Rahmenbedingungen und Umstände für Menschen unterschiedlichster Schichten und Berufe. Sie beschreibt die engen Grenzen für Frauen und ihr gefängnisartiges Leben und ebenso den Ausbruch von Plautilla Bricci daraus. Das weitverzweigte Intrigennetz ermöglicht Ruhm und Reichtum, wie es auch zu Fall und Flucht führt.
Rückblickend erzählt die erste Architektin Plautilla Bricci von ihrem Leben und den Dynamiken der dynamischen Stadt. Sie wurde nicht nur eine bedeutende Malerin und Mitglied der Accademia di San Luca, sondern war auch die erste Frau, die nach eigenen Entwürfen einen prächtigen Palazzo vollenden ließ. Sie setzt sich schließlich erfolgreich gegen alle Widerstände durch. Ihr Name ist im Grundstein eingraviert, der nicht traditionell aus Marmor, sondern aus Metall ist. In der Erzählung nehmen viele Menschen mehr Raum ein als sie selbst, was zum einen die Diversität sehr gut widerspiegelt und zum anderen große Ausdauer und Interesse der Lesenden erfordert, denn auf Seite 249 Seiten ist sie erst, auch wenn ein paar Zeitsprünge eingebaut sind, dreiundzwanzig Jahre alt. Namen, Daten, Fakten und Orte sind historisch belegt, alle vorkommenden Personen haben wirklich gelebt und doch handelt es sich bei diesem Werk um einen stilistisch wirklich gut geschriebenen Roman.
Für mich liegen die Stärke der Autorin im Kunsthistorischen und Geschichtlichen, der geschickten Struktur des Romans, doch weniger in der Beschreibung des komplexen Innenlebens von Plautilla Bricci und der Entwicklung ihrer Denkweise. Doch vielleicht ist auch das positiv zu sehen, denn die aneinandergefügten Splitter ergeben kein zusammenhängendes Bild, wodurch Merkwürdigkeiten hervortreten. Die Persönlichkeit von Plautilla Bricci bleibt unvollständig, weil Lebensbeschreibungen immer nur scheinbar vollständig sein können, und das ist eigentlich gut so.
Das Buch empfehle ich allen, die sich entschleunigt in die Zeit von Plautilla Bricci begeben wollen, einen vertiefenden und differenzierten Einblick erhalten und etwas von einer Frau erfahren wollen, die bisher kaum bis keine Beachtung fand.
Sept. 2024
Rezension
Ilse M. Seifried, MA
https://www.i-m-seifried.at
Übersetzung: Karin Fleischanderl
463 Seiten
Folio 2024
ISBN 978-3-85256-901-7
€ 28.-