Katrine Marçal: Die Mutter der Erfindung – Wie in einer Welt für Männer gute Ideen ignoriert werden
Übersetzung: Gesine Schröder
304 Seiten, gebunden
Rowohlt Berlin 2022
ISBN: 978-3-7371-0142-4
€ 22,95
Abb. https://www.book2look.com/book/9783737101424
Katrine Marçal ist eine mit mehreren Preisen ausgezeichnete Autorin und Journalistin. 1983 in Schweden geboren lebt sie seit 2012 in England. International bekannt wurde sie 2012 durch ihr Buch «Who Cooked Adam Smith’s Dinner?», das 2016 auf Deutsch unter dem Titel „Machonomics – Die Ökonomie und die Frauen“ (ISBN: 9783406688614) erschien.
Auf ihrer interessanten Website https://www.katrinemarcal.com/ begrüßt sie alle Besucher:innen mit: „By excluding women we warp the economy in ways that make it very hard to address the real problems we are facing„
Seit ca. 5000 tausend Jahren werden in patriarchalen Kulturen Menschen willkürlich und aufgrund von Machtansprüchen in Männer, Frauen und gegenwärtig auch Divers eingeteilt. Dass so eine Gesellschaft nicht naturgegeben ist, sondern gemacht und veränderbar ist, ist mittlerweile im Allgemeinwissen angekommen, wie auch die Tatsache, dass Frauen weltweit nicht nur ökonomisch benachteiligt werden.
Im vorliegenden Buch geht es zu Beginn um die erstaunlich starren Rollenerwartungen, die am Beispiel des Koffers mit Rollen anschaulich werden. Rollenerwartungen brach Bertha Benz 1888. Durch ihre Entscheidungen wird bewusst, über welche Potentiale Frauen verfügen. Die Hälfte der Weltbevölkerung, Frauen, wurden/werden durch Ignoranz und Unterdrückung behindert, ihre Potentiale zu leben. Erfolg wurden / werden oft verschwiegen. Enorm große Potentiale guter Ideen warten auch gegenwärtig auf geglückte und erfolgreiche Anerkennung und Umsetzung. Die Autorin meint, dass „nur wenige Muster unser Denken so grundlegend prägen wie unsere Geschlechtervorstellungen. Sie entscheiden mit darüber, welche Maschinen wir bauen. Und welche Zukunftsvisionen wir uns ausmalen können“
An ganz konkreten Beispielen, die kleine Geschichten und interessant zu lesen sind, vermittelt die Autorin, welche destruktive Folgen patriarchales Denken und Handeln hat und was alles möglich ist, wenn vermeintliche Grenzen zwischen „männlichen“ und „weiblichen“ Technologien überwunden werden – wie z.B. im Fall des Astronautenanzugs von Neil Armstrong. Katrine Marçal erzählt über Erneuerungen, Zusammenhänge, Entwicklungen und Konsequenzen, wenn Frauen nicht mitreden, mitbestimmen, erfinden oder teilhaben dürfen bzw. die Meinung vorherrscht, Mädchen / Frauen und Technik passen nicht zusammen und wie wichtig es ist, dass Mädchen und Frauen sich nicht scheuen, Geschlechtergrenzen zu überwinden. Geschichte wurde bis ins 20. Jh. von Männern für Männer erzählt und so definierten diese alles. Die Pflanzenkategorien, die Erdteile, die Epochen u.v.a.m. Und so heißt die frühgeschichtlichen «Bronzezeit» nicht «Keramikzeit» und der Klimawandel ist so weit fortgeschritten, wie er eben ist. Katrine Marçal fokussiert auf die Geschichte der Innovationen und schrieb somit ein konstruktives, anregendes und ermutigendes Buch. Die Gesellschaft muss „Frauen dieselben wirtschaftlichen Chancen und Möglichkeiten eröffnen, wie Männer sie haben. Und das ist ein weitaus größeres Projekt. Ein Projekt, das fast alles verändert.“ Und sie formuliert pointiert: „Diese Vorstellung von Männlichkeit – die nichts mehr fürchtet als die Macht des Körpers – war es, die neue Technologien nach ihrem eigenen Ideal geformt hat. Deshalb haben wir jetzt Maschinen, die Garri Kasparow schlagen können. Aber nicht Serena Williams.“
Die Autorin gliedert ihr Buch in fünf Kapitel: Erfindungen, Technik, Weiblichkeit, Körper, Zukunft. Am Ende finden sich ein informativer Anhang und Literaturhinweise.
Katrine Marçal endet mit den Worten: „Wenn wir aber die Gerätschaften der Frauen, die hier zur Sprache kamen, in die Geschichte einbeziehen, ändert sich das Bild. Wenn die ersten Werkzeuge keine Waffen waren, sondern zum Beispiel Grabstöcke, scheint es gleich weniger offensichtlich, dass menschliche Erfindungen immerzu zermalmen, dominieren oder ausbeuten müssen. Wenn wir Frauen und das, was wir ihnen zuschreiben, nicht länger ignorieren, entsteht eine neue Erzählung über uns selbst, die Wirtschaft und die Welt. Dann gerät der Boden unter unseren Füßen in Bewegung und es eröffnen sich neue Wege. Das ist die Mutter der Erfindung. Es ist Zeit, zu ihr heimzukehren.“
Insgesamt ist dieses Buch eine informative, interessante, unterhaltsame, Augen öffnende und Gender Bewusstsein schaffende Lektüre, die sich sehr gut für die Oberstufe, alle Lehrenden und Interessierte eignet und in jede Schulbücherei gehört.
Rezension
Ilse Seifried, MA
November 2022